Initiative “Stolpersteine in Karben”
Juden in Groß-Karben: Geschichte
Wir bedanken uns bei Herrn Helmut Heide für die freundliche Genehmigung, Auszüge aus "Zur Geschichte der Groß-Karbener Juden" (erschienen in "Karben - Geschichte und Gegenwart") hier veröffentlichen zu dürfen. Der entsprechende Original-Text ist in Kursivschrift dargestellt. Zur Geschichte der Groß-Karbener Juden (Auszüge) von Helmut Heide (1934-2014) (Das Buch ist nicht mehr erhältlich, jedoch in der Stadtbücherei Karben auszuleihen...) Aus der Vergangenheit der Juden in Groß Karben vor 1933 ... In den Jahren 1668, 1687, 1707 und 1710 stellten die Juden des Freigerichts Kaichen an das Friedberger Burgregiment (Regierung) den Antrag, im Burgterritorium eine Synagoge errichten zu dürfen. Dieses Ansinnen wurde jedoch jedes Mal energisch abgewiesen, da der Konvent der Burgmannen als christliche Obrigkeit nicht gewillt war, das als irrgläubig geltende Judentum auch nur im Geringsten zu fördern. Für die Ablehnung des diesbezüglichen Antrags im Jahre 1710 wurde als Begründung ein religiöser Krawall angeführt, der sich im September 1709 in Groß Karben zugetragen hatte. Der hier wohnhafte Jude Heyen hatte nämlich aus Anlass des jüdischen Neujahrsfestes versucht, einen öffentlichen Gottesdienst zu halten und dabei, den Traditionen des mosaischen Glaubens entsprechend, das Schofarhorn (Widderhorn) geblasen. Das führte zu heftigen Gegenreaktionen der Groß Karbener Christen, also zu einem öffentlichen Tumult. Den Juden war nämlich jeglicher öffentlicher Gottesdienst streng verboten. Heyems Versuch galt deshalb als etwas ganz Unerhörtes und wurde mit einer Geldstrafe von 200 Reichstalern belegt. Diese Summe war für damalige Verhältnisse ein Vermögen. In der Folgezeit änderte sich jedoch die Einstellung des Burgregiments zur Bewilligung von Synagogen. Den Juden des Freigerichts wurde am 4. September 1739 die Einrichtung einiger Gotteshäuser erlaubt. Ein weiterer Beweis für blühendes jüdisches Gemeindeleben in Groß Karben, schon in früher Zeit, ist ein Aktenstück des Kirchenarchivs vom Jahre 1740. Es betrifft die Einrichtung einer jüdischen Privatschule. Die Synagoge in Groß Karben soll nach manchen Angaben 1840, nach anderen 1872 erbaut worden sein. Sie befand sich an der Heldenberger Straße 10. Weitere Informationen zur Synagoge in Groß-Karben und jüdischer Geschichte unter Allemannia Judaica >>>hier Ergänzung der Website-Redation: Bauzeichnung aus dem Jahr 1893 im Zusammenhang mit dem Einbau eines Schornsteines. Die Synagoge wies 72 Männer und 36 Frauenplätze auf. In den Jahren 1905 u.1932 wurde sie renoviert (Artikel im "Isrealit" am 17.11.1932 und weitere Informationen >>>hier). (Vergrößern: Bild anklicken). Die Groß-Kärber Synagoge hat Edgar Braun (New York), bis 1936 Burg-Gräfenröder Straße 20, aus dem Gedächtnis gezeichnet. (Vergrößern: Bild anklicken). Die Synagoge, die am 10. Nov. 1938 ausgeraubt und niedergebrannt wurde, fotografierte Edgar Braun Ende Mai 1945, der nach Kriegsende bei der US-Militärregierung in Frankfurt beschäftigt war (Vergrößern: Bild anklicken). Auch diese Zeichnung (oben) hat Edgar Braun aus dem Gedächtnis gefertigt. (Vergrößern: Bild anklicken). Das Foto (1937) zeigt Isaak Markus (Lehrer der Jüdischen Gemeinde) Heldenberger Str. 10) und Siegfried, Siggis, Strauss (Bahnhofstr. 9) vor der Synagoge. (Vergrößern: Bild anklicken) Grundlage der Foto-Montage ist das Ruinenfoto, die Synagogen-Zeichnung und das Foto aus dem Jahr 1937 (Vergrößern: Bild anklicken). Synagogen-Ruine mit „Lehrerhaus“ (1945), Heldenbergerstraße 10 (Fotomontage: Stolperstein-Initiative Karben) Am 26.6.2016 hat der Kölner “Stolperstein”-Künstler Gunter Demnig in Höhe des ehemaligen Standorts der Groß- Kärber Synagoge (zwischen Heldenberger Straße 10 und 14) eine schmale Gedenkplatte in den Bürgersteig eingelassen. Diese sogenannte “Stolperschwelle” erinnert an den Pogrom am 10. Nov. 1938 in Groß-Karben und an das jüdische Gotteshaus, das am 10. Nov. 1938 niedergebrannt wurde. Die Gedenkschwelle trägt die Inschrift: HIER ERBAUT UM 1840 DIE SYNAGOGE DER JÜDISCHEN GEMEINDE GROSS-KARBEN GESCHÄNDET UND ZERSTÖRT 10. NOVEMBER 1938 Der jüdische Friedhof in Groß-Karben liegt links vor dem Ortsausgang des Stadtteils Groß-Karben in Richtung Heldenbergen und kann - außer am Sabbat - betreten werden (Schlüssel im Rathaus abholen). Der Friedhof wurde nach dem Pogrom in Karben zerstört. 1957 wird die Instandsetzung des jüdischen Friedhofes beschlossen und 1960 abgeschlossen. Gedenken der im ersten Weltkrieg gefallenen Juden aus Groß-Karben in der Bahnhofstraße Auch aus Groß-Karben zogen junge Männer in den ersten Weltkrieg - Nichtjuden und Juden gemeinsam. Viele wurden verwundet, viele kehrten nicht zurück. Das Mahnmal am Eingang des Groß-Kärber Friedhofes in der Bahnhofstraße erinnert an die Gefallenen. Die folgenden drei Juden aus Groß-Karben ließen ihr Leben für ihr Vaterland: Ludwig Junker, Heldenberger Straße 3 geb. 22.6.1887 in Groß-Karben, gefallen am 1.9.1914, Friedrich Kahn, Burg-Gräfenröder Straße 20, geb 22.7.1892 in Groß-Karben, gefallen am 9.10.1917, Nathan Strauß, Wilhelmstraße 7, geb. 12.12.1880 in Groß-Karben, gefallen am 30.7.1915 __________________________________________________________________________________________ Zeichnungen und Bilder (schwarz/weiß) aus "Juden in Gross-Karben" von Helmut Weigand Farbbilder und Fotomontage: Initiative Stolpersteine in Karben Bis 1932 ... lebten jüdische und nichtjüdische Ortsbürger in Groß Karben einträchtig nebeneinander her. Wie sonst im Leben auch, konnte es zwar gelegentlich einmal zu einer Missstimmung zwischen einem Juden und einem anderen Bürger kommen, jedoch hatte das mit politischen oder rassischen Gründen nichts zu tun. 1932 wurde in Groß-Karben eine Ortsgruppe der National-Sozialistischen Deutschen Arbeiter-Partei (NSDAP) und ein SA-Sturm gegründet. Die NSDAP verfolgte nationalistische und völkische Ziele. Sie war infolgedessen scharf antisemitisch, d.h. antijüdisch eingestellt. Die NSDAP diffamierte die Juden als Blutsauger des Volkes, Betrüger, volks- und rassenfremde Elemente, die im Interesse der rassistischen Reinheit vom deutschen Volk abgesondert werden müssten. Die SA (Sturm-Abteilung) war dazu bestimmt, als bewaffneter Arm der Partei jeglichen politischen Widerstand gewaltsam zu brechen. Seit der Gründung dieser Organisationen war kein Friede mehr im Dorf. Juden wurden auf offener Strasse als „Juddesau“ beschimpft und vor den Häusern der Juden das berüchtigte „Sturmsoldatenlied“ gesungen, welches mit dem Refrain endet: „Wenn das Judenblut vom Messer spritzt, ei, da geht`s uns noch mal so gut!“ Bei dem Juden Isidor Kulb wurde eine Sprengladung in die Dachkendel gelegt und gezündet, so dass diese auseinander flogen. Die Täter hatten sich nie ermitteln lassen. Diese Vorkommnisse zeigen, dass die Weimarer Republik, welche als erster wirklich freiheitlicher deutscher Staat nach dem verlorenen ersten Weltkrieg gegründet worden war, sich unfähig erwies, gefährdete Bevölkerungsgruppen vor dem Terror radikaler Organisationen zu schützen. Drangsalierung der Juden nach dem 30. Jan. 1933 Als dann am 30. Januar 1933 die Nationalsozialisten, zunächst im Bunde mit den Deutschnationalen, Regierungspartei wurden, - wobei alle fortschrittsfeindlichen Kräfte wie Konservative, ostelbische Rittergutsbesitzer, Großindustrielle, und Bankiers Steigbügelhalterdienste geleistet hatten -, brach eine furchtbare Zeit auch über die Groß Karbener Juden herein: Belästigungen, körperliche Misshandlungen, eingeworfene Fensterscheiben, gezielte, systematische Geschäftsschädigungen. Vor den jüdischen Geschäften zogen uniformierte SA-Posten auf, Kunden wurden fotografiert und denunziert, oder in drohendem Tonfall angesprochen: „Was, du handelt auch mit Juden?“ Infolgedessen brach das jüdische Geschäftsleben zusammen. Seppel Junker wurde am Bahnhof Groß Karben von johlenden SA-Leuten empfangen und über den Steg am Selzerbrunnen bis zu seiner Wohnung in der Heldenberger Strasse regelrecht heimgeprügelt. Eine Groß Karbener Bürgerin, die als Nichtjüdin mit einem Juden ein Liebesverhältnis hatte, wurde ergriffen und die Haare wurden ihr abgeschnitten. Dann hängten die Nationalsozialisten ihr ein Schild um den Hals mit der Aufschrift: „Juden-Liebchen“. So ist sie am hellen Tag durch das ganze Dorf geführt worden. Man sah´s: Die völkische und nationale Erneuerung Deutschlands ging in sehr handgreiflicher Weise vor sich. Recht und Ordnung waren jedoch abgeschafft! Die "Reichskristallnacht" Sämtliche männlichen Juden wurden (...am 10. November gegen 14 Uhr...*) aus ihren Häusern geholt (...zuerst in die Bürgermeisterei im Degenfeld`schen Schloß gebracht...*) und in das Spritzenhaus gesperrt und dort mit Reitpeitschen so misshandelt, dass man sie ca. 500 m weit schreien hören konnte. Dann plünderte die Sa systematisch, bei Hugo Junker beginnend, alle jüdischen Häuser, raubte Wertsachen und zerstörte das Inventar. Möbel, Uhren, Nähmaschinen wurden auf die Strasse geworfen, das Kristall wohlhabender Juden mit SA-Stiefeln zertreten, die Betten aufgeschnitten und die Federn vom 1. Stock der Häuser aus auf das Pflaster geschüttelt. Die SA-Leute nannten das „Frau-Holle-spielen“! Die jüdischen Geschäfte fielen besonders gründlicher Plünderung zum Opfer. Große Glashäfen mit Bonbons wurden von innen durch die Schaufenster geschleudert. ... Am Abend des 9. November 1938... (richtig ist jedoch der 10. November 1938 *)...wurde dann die jüdische Synagoge ausgeraubt und gegen 21 Uhr angesteckt. Die neben ihr stehende Scheune von Seppel Junker ging mit in Flammen auf. Die angerückte Feuerwehr durfte jedoch nicht löschen. Sie wurde vom damaligen NS- Bürgermeister, der zugleich Ortsgruppenleiter der NSDAP war, daran gehindert. * Ergänzungen der Website Redaktion aufgrund Polizeiprotokollen und Gerichtsurteil Ergänzung der Website-Redation: Mehr zum Pogrom in Groß-Karben >hier. Am 22. Januar 1949 fand vor der Strafkammer I des Landgerichts in Giessen ein Prozess statt, in dem zwölf Männer wegen Landfriedensbruchs angeklagt waren. Es erging folgendes Urteil: Der damalige Bürgermeister Heinrich Flach erhielt ein Jahr Gefängnis wegen schweren Landfriedensbruchs, weitere vier Mittäter zwischen sechs und vier Monate wegen einfachen Landfriedensbruch. Die anderen sieben Angeklagten wurden freigesprochen… (Mehr zum Prozess in Giessen >hier). Am 12. Nov. 1938 wurden viele der "arbeitsfähigen jüdischen Männer" aus Karben in das KZ Buchenwald verschleppt. Unter den etwa 10 000 Männern auf dem "Appellplatz" im KZ Buchenwald waren aus Groß-Karben: Josef Junker, Heldenberg. Str.1 >bis 15. Dez. 1938 (Häftlingsnummer 25222) Moritz Rosenthal, Heldenberg. Str.3 >bis 14. Dez. 1938 (Häftlingsnummer 26045) Adolf Hirsch, Wilhelmstraße 16 >bis 15. Dez. 1938 (Häftlingsnummer 25905) Julius Ross, Bahnhofstraße 24 >bis 01. Dez. 1938 (Häftlingsnummer 25236) Hugo Junker, Bahnhofstraße 34 >bis 16. Dez. 1938 (Häftlingsnummer 25237) Moritz Grünebaum,** Bahnhofstraße 6* >bis 12. Dez. 1938 (Häftlingsnummer 29275) Heinr. Grünebaum, Bahnhofstraße 51* >bis 8. Dez. 1938 (Häftlingsnummer 25238) aus Okarben: Adolf Kahn Hauptstraße 55* >bis 14. Dez. 1938 (Häftlingsnummer 25 941) Hans Grünewald Großgasse 1* >bis 03. Feb. 1939 (Häftlingsnummer 26230) aus Burg-Gräfenrode: Alex Kirschberg, Freihofstraße 1 >bis ? (Häftlingsnummer 25226) Willi Löwenberg, Weißenburgstr.1 >bis 15. Dez. 1938 (Häftlingsnummer 25232) * von Frankfurt aus verschleppt, da bereits vorher nach Frankfurt/M geflohen ** Moritz Grünewald war vorher schon einmal vom 1.7. bis zum 27.10.1938 im KZ Buchenwald interniert ______________________________________________________________________________________________ Quelle: Thüringisches Hauptstaatsarchiv, Weimar Flucht und Deportation ... Die Groß Karbener Juden reagierten unterschiedlich auf das ihnen angetane Unrecht. Ein Teil von ihnen, besonders die Wohlhabenden, die die Reise bezahlen konnten, wanderte aus und folgte damit dem Beispiel derjenigen, die in weiser Voraussicht der kommenden Dinge schon vor der „Reichskristallnacht“ dem Deutschen Reich den Rücken gekehrt hatten. Die Emigranten flohen in die USA, nach Südamerika, Südafrika, England, Frankreich, in die Schweiz und in die Niederlande. Keiner von ihnen ist je wieder in die Heimat zurückgekehrt. Manche sind jedoch noch in Holland oder Frankreich im Zuge der Kriegshandlungen von ihren nationalsozialistischen Häschern eingeholt, in die Konzentrationslager verschleppt und dort ermordet worden. Die meisten verzogen in andere Orte in andere deutschen Städte, insbesondere Großstädte, vorzugsweise nach Frankfurt/M. Sie taten das in der falschen Hoffnung, hier unbehelligter als auf dem Land leben und so die NS-Zeit überstehen zu können. Manche sind schon kurze Zeit später von ihren neuen Aufenthaltsort in das Ausland weiter geflohen. Auf diese Art hatte die jüdische Gemeinde von Groß Karben den wohl größten Aderlass ihrer Geschichte erlitten. Besonders die armen Juden sind jedoch am Ort geblieben und während des Krieges, am 15.9.1942, im Zuge einer allgemein durchgeführten Deportation in die osteuropäischen Vernichtungslager verschleppt worden. Nicht einmal schwerversehrte und mit hohen Orden ausgezeichnete Teilnehmer des Ersten Weltkrieges wie Moritz Roß (beinamputiert, Träger des EKI) wurden verschont. Das jahrhundertealte traditionsreiche jüdische Leben in Groß Karben war damit gewaltsam erloschen. Exkurs: Frau Bella Vogt berichtet von ihrer Deportation Frau Vogt war allen gegen die Juden gerichteten gesetzlichen Schikanen ausgesetzt, wie sie schon weiter oben dargestellt worden sind. Während der „Reichskristallnacht“ und der Deportation vom 15.9.1942 war sie jedoch als Frau eines „Ariers“, d.h. Nichtjuden, ungeschoren davon gekommen. Von ihrer Deportation hat Frau Vogt dem Verfasser folgendes berichtet: Im Februar 1945, als die Nationalsozialisten ihre bevorstehende Niederlage schon klar vor Augen sahen, wollten sie noch schnell die Judenfrage restlos in ihrem Sinne „lösen“. Nun wurden auch die mit „Ariern“ verheirateten Jüdinnen deportiert. Morgens um 5 Uhr bestieg Frau Vogt am Bahnhof Gross Karben einen von Gießen nach Frankfurt fahrenden Personenzug, der mit lauter Leidensgenossinnen besetzt war. In Frankfurt Ost mussten sie den Zug verlassen, um sich in der Großmarkthalle am Ostbahnhof zu versammeln. Diese war mit dauernden Beleidigungen („Juddesau“) und Misshandlungen (Schlägen mit der Reitpeitsche) verbunden. Abends um 19 Uhr wurden die Frauen in Viehwagen verladen, ohne dass man ihnen, die schon seit dem frühen Morgen unterwegs waren, etwas zu essen verabreicht hatte. Es befanden sich immer 50 Personen in einem Waggon. Sitzplätze gab es nicht. Nachdem die Wagen wie bei einem Sträflingstransport mit Ketten verschlossen waren, fuhr der Elendszug über Leipzig und Dresden nach Theresienstadt, fünf Tage und fünf Nächte lang. Die Transportbedingungen waren unglaublich. Pinkelpausen gab es nur auf offener Strecke. Unterwegs wurde der Zug laufend von amerikanischen und Tieffliegern beschossen. Beim Ausstieg im Konzentrationslager Theresienstadt mussten die Frauen ihr gesamtes Gepäck abgeben. Dann konnte ein Bad genommen werden, wobei immer mehrere Jüdinnen nackt unter einer Dusche stehen mussten. Abends wurden je sechs bis sieben zum Schlafen in einem Raum gepfercht. In diesem befand sich pro Person eine Pritsche ohne jeden Inhalt, und wäre es auch nur ein Strohsack gewesen! „Natürlich“ war trotz des Winters (Februar) kein Raum heizbar. Das schlechte Essen, z.B. sechs verfaulte Kartoffeln pro Person und Mahlzeit, wurde aus schmutzstarrendem Geschirr eingenommen. Am nächsten Morgen mussten sich die Frauen dem Arzt vorstellen. Dabei ging es jedoch nicht um ihre Gesundheit, sondern um die Feststellung ihrer Leistungsfähigkeit. Je nach Befund wurden die Gefangenen zu Arbeitskommandos zusammengestellt. Frau Vogt musste die Räume kehren und in der Bügelstube SS-Hemden plätten. Die Behandlung war weiterhin schlecht, jedoch setzte es wenigstens keine Prügel mehr. Nach acht Tagen gab man den jüdischen Frauen auch ihre Koffer zurück. Es war jedoch alles für das Weiterleben Wertvolle gestohlen, besonders Lebensmittel und Decken. In Theresienstadt musste Frau Vogt ausharren bis zur Befreiung durch die Rote Armee am 8. Mai 1945 (Himmelfahrt). Wahrscheinlich hat sie nur der schnelle Vorstoß der sowjetischen Truppen vor dem Tod durch Vergasung gerettet. Jedoch blieben Verpflegung und Behandlung weiterhin schlecht. War Frau Vogt für viele Deutsche eine Jüdin und für ihre Glaubensgenossinnen eine Abtrünnige, so war sie für die Sowjets eine Deutsche und damit wiederum eine hassenswerte Person! Am 26.6.1945, nach dem vollständigen militärischen Zusammenbruch des NS-Regimes, welches Deutschland in Blut und Trümmern zurückgelassen und dem deutschen Ansehen im Ausland unermesslichen Schaden zugefügt hatte, konnte Frau Vogt endlich in ihr Heimatdorf Groß Karben zurückkehren. Auf dieser Seite zurück ganz nach oben >>>hier anklicken