Initiative “Stolpersteine in Karben”
Stolpersteine in Groß-Karben: Die Bahnhofstraße
Die Zahlen stellen die jeweilige Hausnummern dar (”Stolpersteine” in der Bahnhofstraße sind farbig markiert - graue Zahlen: weitere “Stolpersteine” in Groß-Karben >>>hier) Verfolgung der Juden im Nationalsozialismus: Übersicht (Zeittafel) >hier
Bahnhofstraße 51 Hier wohnte Familie Heinrich Grünebaum...                  Bericht der “Frankfurter Neue Presse” am 09.01.16 (von Susanne Krejcik): Karben.  Über Familie Grünebaum kann jeder in Karben „stolpern“. Denn für die Familienmitglieder liegen Gedenksteine in der Bahnhofstraße 51 in Groß-Karben. Dieses Aufmerksammachen hat nun positive Folgen: Aufgrund eines Anrufs hätten sie weitere Informationen über die Grünebaums erhalten, sagt Hartmut Polzer von der Initiative Stolpersteine. So sei das tragische Schicksal der Familie und des Sohnes noch deutlicher geworden, sagt Polzer. „Wir sind immer offen für neue Informationen oder Ergänzungen.“ Da die Internetseite der Initiative zum Großteil auch in englischer Sprache angeschaut werden kann, seien Rückmeldungen oder Fragen von Nachfahren aus der ganzen Welt nicht ungewöhnlich, so Polzer. Ein Anruf aus Israel So sei er über den Anruf von Noam Corb aus Israel nicht ganz überrascht gewesen. Corb – ein entfernter Verwandter von Berthold Grünebaum – hatte sich mit der Internetseite der Initiative Stolpersteine beschäftigt und konnte wichtige Ergänzungen liefern. „Er konnte Hinweise geben, woraufhin wir weitere Recherchen angestellt haben“, sagt Polzer. Heinrich Grünebaum wurde am 5. November 1899 in Rendel geboren. Er war verheiratet mit Rosel, geborene Strauss. Sie wurde am 5. Februar 1899 in Frankfurt geboren. Sie war Schneiderin, er Kartoffelhändler. Die Eheleute wohnten mehrere Jahre in Rendel in der Dorfelder Straße 10. Ende der 1920er-Jahre zogen Grünebaums nach Groß-Karben, wo auch Heinrichs Eltern gelebt hatten. Dort wohnten sie in der Bahnhofstraße 51. Am 26. Juli 1931 wurde dort Sohn Berthold geboren. Am 25. Februar 1935 floh die Familie nach Frankfurt. „In der Hoffnung, im Schutz der Großstadt und der jüdischen Gemeinde dort überleben zu können“, erklärt Polzer. „Daran, dass die Familie bereits 1935 in die Großstadt zog, merkt man, dass die Repressalien gegen Juden in Karben bereits kurze Zeit nach der Machtergreifung Hitlers begonnen haben“, beleuchtet der Groß-Karbener die Hintergründe. In Frankfurt wurde Tochter Alice am 27. April 1938 geboren. Nach dem November-Pogrom von 1938 wurde Heinrich Grünebaum für etwa vier Wochen ins KZ Buchenwald verschleppt. Rosel Grünebaum wollte ihren Sohn Berthold in Sicherheit bringen. Es gelang ihr, ihn mit einem Kindertransport nach Holland zu schicken. Vom 22. November 1938 bis Juni 1940 gibt es mehrere Adressen in den Niederlanden, unter denen Berthold gemeldet war.   Durch sogenannte Kindertransporte konnte in der Nazi-Zeit das Leben von rund 10 000 Kindern gerettet werden. England nahm rund 8000 Kinder auf, Holland etwa 2000.  Berthold Grünebaum wohnteab 22. Nov. 1938 in Vacationhome CIW, Baarnschweg 58, den Dolderdes,ab 02. Sep.1939 in Huis ten Vijver, Dwarsweg 3, Scheveningen,ab 03. Juni 1940 in Den Haag, Stuyvesandtstr. 26, Fam. De Bok,ab 11. Juni 1940 in Den Haag, Schenkstr. 222, v. Leeuwen (Quelle: Anruf Noam Corb aus Israel am 7.7.14 + http://www.dokin.nl/index.htm)  Indes flohen die Eheleute Grünebaum am 15. April 1939 mit ihrer kleinen Tochter Alice über Hamburg nach Belgien. Dort holten sie ihren Sohn Berthold aus Holland zu sich. Am 21. Januar 1943 wurde die ganze Familie jedoch im inzwischen den Deutschen besetzten Belgien in Brüssel verhaftet. Von einem Sammellager in Mechelen aus wurden sie am 19. April 1943 ins KZ Auschwitz deportiert. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Familie diese drei Monate im Sammellager unter menschenunwürdigen Bedingungen verbrachte, zusammengepfercht mit weiteren Juden aus Belgien. Im „Wartesaal zum Holocaust“ waren „in den Schlafsälen Männer und Frauen, Kinder und Alte gemeinsam untergebracht. Alle Klassenunterschiede waren aufgehoben“, schreibt Marion Schreiber in dem Buch „Stille Rebellen“ über genau jenes Lager in Mechelen. Letzter Befreiungsversuch Trotz eines gut gemeinten Befreiungsversuchs konnte die Familie – wie viele andere auch – nicht gerettet werden. So wurde der 20. Deportationszug nach Auschwitz nachts von jungen Widerstandskämpfern angehalten. In den Güterwaggons befanden sich 1636 Juden. Der Älteste sei 90 Jahre alt, die jüngste noch nicht einmal sechs Wochen alt gewesen, erklärt Schreiber. Die von den Widerstandskämpfern geplante Befreiung der Deportierten klappte allerdings nicht wie geplant. Nur rund 200 Menschen gelang die Flucht. Andere wurden auf der Flucht von den Bewachern des Zuges erschossen. Die übrigen wurden wie geplant nach Auschwitz deportiert. Von den Frauen und Kindern dieses Transportes seien rund 70 Prozent direkt nach der Ankunft am 22. April 1943 in Auschwitz ermordet worden, erklärt Hartmut Polzer. Da es weder von Rosel Grünebaum noch von ihren Kindern Häftlingsnummern gab, „muss angenommen werden, dass sie unmittelbar nach ihrer Ankunft umgebracht wurden“, sagt er. Von Heinrich Grünebaum ist bekannt, dass er während des Transportes starb. Hartmut Polzer: „Vermutlich wurde er beim Überfall von den Bewachern erschossen.“  *Am 19. April 1943 stoppten drei junge Männer nachts auf offener Strecke einen Zug, in dem sich 1636 Jüdinnen und Juden in 40 Güterwaggons auf dem Weg vom belgischen Mechelen nach Auschwitz befanden. Es ist der einzige Deportationszug, der jemals von Widerstandskämpfern angegriffen wurde, um die eingesperrten Waggoninsassen zu befreien. Viele Waggoninsassen hatten jedoch bereits im Vorfeld geplant, aus dem Zug zu fliehen. So kam es, dass sich (zusätzlich zu den 17 Deportierten, die beim Überfall befreit wurden) iweitere 215 Deportierte bis zum Erreichen der deutschen Grenze aus eigener Kraft aus dem Zug flüchten konnten. Die »Verladung« der 1636 Gefangenen des 20. Transports hatte bis in die Abendstunden gedauert. So war es bereits mondhelle Nacht als der Zug 13 Kilometer von Mechelen entfernt Boortmeerbeek passierte und auf Wespelaar zufuhr, wo drei junge belgische Widerstandskämpfer an der Strecke lauerten. Sie hatten eine Sturmleuchte mit roten Seidenpapier umhüllt und auf die Gleise gestellt, so dass sie wie ein Warnsignal aussah. Tatsächlich hielt der Zug an. Einer der Widerstandskämpfer rannte zum hinteren Teil des Zugs, öffnete die Tür eines Wagens und drückte den Befreiten für die weitere Flucht noch je einen 50 Francs-Schein in die Hand. Die gesamte Aktion dauerte nur eine Viertelstunde...   Wer mehr über den Überfall auf den Transport Nr. 20 wissen möchte, kann sich das Buch „Stille Rebellen“ (Aufbau-Verlag, 2002) in der Stadtbücherei Karben ausleihen.    ________________________________________________________________________________________  Bahnhofstraße 47 Hier wohnte Familie Isidor Kulb...  Isidor Kulb wurde 1879 in Groß-Karben geboren. Seine Eltern Bernhard und Bertha Kulb wohnten seinerzeit in der Heldenberger Straße 14, direkt neben der Synagoge. Zusammen mit seinem Bruder Max betrieb Isidor Kulb auf dem elterlichen Grundstück einen Land- und Getreidehandel. Hier in der Bahnhofstraße 47 wohnte Isidor Kulb mit seiner Frau und seinen Kindern Bella und Erich. Gleich nach der Machtübernahme der Nazis wurde er drangsaliert und bedroht. Ein Zeitzeuge, ein Nachbar, der leider schon verstorben ist, erinnerte sich, dass ihm der Bäcker Fourier mehrmals ein Brot für die Familie Kulb mitgab, das er dann hinten im Garten über den Zaun reichte. "Plötzlich über Nacht", so der Zeitzeuge, "war die gesamte Familie weg." Am 24.3.1934 flüchteten Isidor und Bertha Kulb mit den beiden Kindern  nach Frankfurt. Sie wollten ihre Heimat verlassen und ausreisen, in der Hoffnung in der Großstadt weniger verfolgt zu werden und  durch die große jüdische Gemeinde in Frankfurt  geschützt zu sein.  Am 1. Dezember 1934 gelang dem Ehepaar Kulb mit Tochter Bella  die Auswanderung nach Südamerika. Montevideo in Uruguay war das Ziel. Ein fremdes Land, dessen Sprache sie nicht beherrschten. Sohn Erich jedoch ging nach Holland, wanderte im Jahr 1939 dann aber auch nach Montevideo aus zu seinen Eltern und seiner Schwester. Das Schicksal der Familie Kulb zeigt, dass Juden in Groß-Karben bereits nach der Machtergreifung 1933 massiv verfolgt wurden. Bei Umbauten hier im Haus wurde eine Flasche gefunden, die wohl der Nachbewohner der Familie Kulb eingemauert hatte, der etwa zwei Jahre hier wohnte. In der Flasche befand sich ein Brief in dem unter anderem folgendes zu lesen ist:  "Zur Erinnerung an lang vergessene Zeiten! ... Im Jahre 1933 kam … ein neuer Geist in die deutschen Volksgenossen… Juden und Gesindel haben keine Herrschaft mehr… Ihre Sonne am Himmel hat ausgescheint… Denn nur der Jude war … unser Unglück. Heil Hitler…Groß-Karben, den 8.5.1936, Unterschrift.         Besuch aus Montivideo  Anfang Janauar 2014 kam Clara Kulb aus Montevideo, eine Urenkelin von Isidor Kulb, zusammen mit ihrem Freund, seinen Eltern und einer Cousine nach Karben. Erstes Ziel war das Haus  in der Bahnhofstraße 47, in dem bis Mitte 1934 die Familie des Urgroßvaters Isidor Kulb und ihr Großvater Erich wohnte(siehe Text oben).  Anschließend besuchte die Gruppe das Geburtshaus des Ururgroßvaters Bernhard Kulb in der Heldenberger Straße 14 .                und sein Grab……………………… auf dem jüdischen Friedhof in Groß-Karben  (alle Fotos können durch anklicken vergrößert werden).    _____________________________________________________________________________________      Bahnhofstraße 34 Hier wohnte Familie Hugo Junker...        Bericht der “Frankfurter Neue Presse”  am 12.10.2010 (von Susanne Krejcik):  Hugo Junker wurde am 9. April 1894 in Groß-Karben geboren. Seine Ehefrau Rosa Junker, geborene Grünebaum, erblickte am 31. Januar 1894 in Rendel das Licht der Welt. Das Ehepaar wohnte zusammen mit Rosas Mutter Betty Grünebaum in der Bahnhofstraße 34 in Groß-Karben. Hugo Junkers zwei Jahre jüngere Schwester Antonie lebte mit ihrem Ehemann Julius Wertheimer in Friedberg.  Hugo Junker war als Viehhändler tätig. Zusätzlich betrieben die Eheleute ein kleines Kolonialwarengeschäft; hinter dessen Ladentisch überwiegend Ehefrau Rosa stand, «Rosel» genannt. Wie zur damaligen Zeit üblich, gab es im Laden lose Nahrungsmittel, die dann abgewogen wurden.  Lilli Schneider aus Rendel (86) erinnert sich noch gut daran, wie sie mit ihrer Oma Lea Weinberg mit dem Bus von Rendel nach Groß-Karben fuhr, um die Junkers zu besuchen. Lea Weinberg und Rosa Junker waren entfernte Verwandte. Der Bus hielt an der Gehspitze, von dort ging Lilli an der Hand ihrer Oma zum Haus der Junkers. Während die beiden Frauen bei Kaffee und Kuchen zusammen saßen, durfte die kleine Lilli Bonbons naschen.  Lilli Schneider berichtet, dass sich die Tür des Geschäfts, das man über ein paar Stufen betrat, mit einem Glockenklang öffnete. Und sie erinnert sich an die großen roten Bonbons, die aussahen wie Himbeeren und von denen sie welche aus den Glasbehältern nehmen durfte.  Im Jahr 1938 wurde Hugo Junker die Handelserlaubnis entzogen. Nachdem in der Pogromnacht am 9. November 1938 die Synagoge ausgeraubt und angezündet worden war, rückte am nächsten Tag der gefürchtete «SA-Sturm Okarben» erneut in Groß-Karben ein.  Alle männlichen Juden wurden aus ihren Häusern geholt, in das Feuerwehrhaus gesperrt und misshandelt. Dann plünderte die SA die jüdischen Häuser und Geschäfte, Wertsachen wurden geraubt, das Inventar zerstört. Im Laden von Hugo Junker wurde mit den Randalen begonnen. Außer dem Mobiliar wurden auch die Glasbehälter mit den Süßigkeiten durch die Fensterscheiben auf die Straße geworfen. Nach der Pogromnacht wurde Hugo Junker gemeinsam mit weiteren zehn jüdischen Männern aus Karben im Konzentrationslager Buchenwald eingesperrt. Dort war er vom 12. November bis 16. Dezember 1938 interniert.  Man wollte den Menschen Angst einjagen und sie zur Ausreise nötigen», erklärt Hartmut Polzer von der Initiative Stolpersteine. Um nach Karben zurückkehren zu können, musste Hugo Junker das Fahrgeld selbst bezahlen. Hierzu schickte ihm Ehefrau Rosel 20 Reichsmark per «telegraphischer Postanweisung» ins KZ Buchenwald. Am 16. Dezember 1938 kehrte ihr Ehemann zurück nach Groß-Karben.  Zwei Jahre später entschied sich die Familie nach Frankfurt zu ziehen, verbunden mit der trügerischen Hoffnung, in der Anonymität der Großstadt sicherer zu sein.  Am 1. Oktober 1940 zogen sie nach Frankfurt, dort wohnten sie in der Stegstraße 79. Ein Jahr später, am 19. Oktober 1941 wurde das Ehepaar Junker nach Lodz deportiert. Dort verliert sich ihre Spur im Bleicher Weg 33 im Ghetto.  Rosas Mutter Betty Grünebaum wurde am 18. August 1942 im Alter von 74 Jahren zusammen mit 1021 überwiegend alten Menschen ins KZ Theresienstadt deportiert. Dort starb sie am 22. Oktober 1942.    _________________________________________________________________________________________  Bahnhofstraße 31 Hier wohnte Isidor Kahn und seine Nichte Bella Vogt...  Isidor Kahn (*6.12.1861 in Groß-Karben) hatte den kleinen Spengler-Betrieb von seinem Vater übernommen. Am 15. 9.1942 wurde er im Alter von 81 Jahren zusammen mit vielen weiteren Juden aus Karben und Rendel mit einem LKW zu Hause abgeholt und in die Augustiner Schule in Friedberg und einige Tage später mit der Bahn in das Sammellager in Darmstadt gebracht. Zusammen mit dem Ehepaar Rosenthal aus der Heldenberger Straße, Ehepaar Hirsch aus der Wilhelmstraße und Lea Weinberg aus Rendel wurde er am 29. September 1942 in das Ghetto Theresienstadt verschleppt, wo Isidor Kahn einen Monat später starb.   Bericht der  “Frankfurter Neue Presse” am 06.01.2009 (von Susanne Krejcik)  Bella Vogt erblickte als Bella Levita am 29. Mai 1893  das Licht der Welt. Über den Ort ihrer Geburt sowie  über ihre Eltern liegen keine Angaben vor. Bella war die Nichte von Isidor Kahn, Spengler aus Groß-Karben.  Nach ihrer Hochzeit im Jahr 1919 mit Karl Vogt, der dem christlichen Glauben angehörte und als Beamter bei der  Reichsbahn tätig war, zog das Ehepaar zu Bellas allein  lebendem Onkel Isidor Kahn nach Groß-Karben in die  Bahnhofstraße 31. Das Haus befindet sich gegenüber des  Eingangs zum Groß-Kärber Friedhof.  Else Lampert (89), geborene Kraft, erinnert sich, dass sie  mit ihrer Mutter Anna oft dorthin zum Grab ihres früh  verstorbenen Vaters gegangen ist. Als die Mutter beim  Verlassen des Friedhofs wieder einmal traurig gewesen  sei, habe Bella Vogt Mutter und Tochter Kraft zu sich ins  Haus gebeten. So entwickelte sich ein freundschaftlicher  Kontakt. Das Ehepaar Vogt und Isidor Kahn – selbst ohne eigene Kinder – verwöhnten die kleine Else.  So habe sie ihre ersten Ohrringe von Karl Vogt geschenkt bekommen, erinnert sich Else Lampert, und oft habe sie Isidor Kahn in der Spenglerei-Werkstatt bei der Arbeit zugeschaut. Von Bella Vogt habe sie zum Geburtstag die Gretel aus dem Märchen als Lebkuchen geschenkt bekommen.  Bella Vogt erzählte später einmal, sie habe sich «eigentlich nicht als Jüdin» gefühlt und nicht am jüdischen Leben in Groß-Karben teilgenommen. Durch ihre Ehe mit einem Christen blieb sie anfänglich vor Verfolgung verschont. Karl Vogt sei mehrfach gedrängt worden, sich von seiner jüdischen Frau scheiden zu lassen. Aufgrund seiner Weigerung sei er aus der Direktion der Reichsbahn zur Güterabfertigung versetzt worden, berichten Maria Dreßler und Else Lampert.  Damit ihr Haus nicht den Nationalsozialisten in die Hände fiel, überschrieben es die Eheleute Vogt im Jahr 1937 an das Ehepaar Dreßler. Paul und Maria Dreßler hatten zuvor bei Arbeiten in Haus und Hof geholfen und zogen nun mit ins Haus ein. Auch das Haus in der Bahnhofstraße 31 blieb entgegen der Befürchtungen der Bewohner in der Pogromnacht unversehrt.  Doch vier Jahre später wurde auch Bella Vogts Familie Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung: Am 15. November 1942 wurde Bellas Onkel Isidor Kahn im Alter von 81 Jahren ins Ghetto Theresienstadt verschleppt, wo er vier Wochen später starb. Ab Herbst 1944 wurden offiziell auch jüdische Ehepartner deportiert. So musste Bella Vogt am 14. Februar 1945 am Groß-Kärber Bahnhof in einen Zug nach Frankfurt steigen.  Darin saßen weitere, mit Christen verheiratete Juden, etwa Ida Veith aus Nieder-Wöllstadt. Ihr gelang es, Postkarten aus dem Zug zu schmuggeln – aufbewahrt im Stadtarchiv Butzbach –, auf denen sie ihrer Familie letzte Grüße sendet.  Während die Fahrt bis Frankfurt im Personenzug statt fand, wurde Bella Vogt von dort aus fünf Tage lang mit 50 anderen Menschen in einem Viehwaggon zusammen gepfercht ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Auf der Fahrt dorthin habe der Zug auf freier Strecke bei Dresden anhalten müssen, erinnern sich Überlebende.  Durch die Ritzen des Waggons hätten sie die brennende Stadt Dresden sehen können, berichtete neben anderen Martha Wolf, Großmutter von Dr. Dieter Wolf, Leiter des Museums Butzbach.  Bella Vogt war vier Monate im Ghetto Theresienstadt inhaftiert. Nach dessen Befreiung durch die Rote Armee am 8. Mai 1945 kehrte sie am 26. Juni 1945 nach Groß-Karben zurück. Sie zog wieder zu ihrem Ehemann Karl Vogt in das Haus in der Bahnhofstraße 31, in dem sie gemeinsam mit dem Ehepaar Dreßler bis zu ihrem Tod am 9. November 1977 lebte. Bella Vogt wurde auf dem christlichen Friedhof von Groß-Karben beerdigt.      _________________________________________________________________________________________  Bahnhofstraße 24 Hier wohnte Familie Julius Ross...  Julius Ross (geb. 28.11.1897 in Groß-Karben) und seine Frau Flora hatten zwei Kinder: Ilse und Albert.  Bereits 1934 wurde Julius Ross zusammen mit Salli Braun verhaftet und für vier Wochen in das KZ Osthofen und  nach dem Pogrom in Groß-Karben am 10.November 1938  mit 10 weiteren Männern aus Groß-Karben, Okarben und Burg-Gräfenrode in das KZ Buchenwald verschleppt..  Während der Vater in Buchenwald interniert ist, gelingt es der Mutter, Flora Ross, für ihren Sohn Albert (13 Jahre) einen Platz  für einen Kindertransport in die Schweiz zu bekommen. Seine Schwester konnte nicht mitreisen, da sie mit 10 Jahren für diese Reise noch zu jung war. Albert emigrierte nach sechs Jahren Lageraufenthalt in der Schweiz nach Palästina und ist inzwischen verstorben. Vater, Mutter und seine kleine Schwester Ilse flohen im April 1939 nach Frankfurt und werden von hier am 22.November 1941 nach Kaunas deportiert.  In "und keiner hat für uns Kaddisch gesagt..."  wird über diese Deportation folgendes berichtet (Deportationen aus Frankfurt, Stroemfeld-Verlag):  ...Ursprünglich sollte der Transport vom 22. November 1941, einem Freitag, nach Riga gehen. Doch wegen Überfüllung des dortigen Ghettos wird er in das litauische Kowno (Kaunas) umgeleitet, wo der Zug am 24. November 1941 eintrifft. Vom Bahnhof müssen die Verschleppten durch die Stadt und das im Juli 1941 errichtete Ghetto sechs Kilometer zum Fort IX laufen. Dort waren einen Monat vorher mehr als 10 000 litauische Juden erschossen worden. In der ehemaligen Befestigungsanlage besteht seit dem ersten Weltkrieg ein Gefängnis. Die Verschleppten verbringen die Nacht in den Zellen. Man sagt Ihnen, sie würden im Ghetto Kowno untergebracht.  Am 25. November 1941 zwingen Bewacher die Menschen in Gruppen von etwa 80 Personen zunächst zum „Morgensport“ in die eiskalte Luft. Im Dauerlauf müssen sie in bereits von russischen Kriegsgefangenen ausgehobene Gruben außerhalb der Umfassungsmauer des Forts laufen. Plötzlich eröffnen in den bewaldeten Hügeln versteckte Schützen das Feuer aus Maschinengewehren. Keiner der aus Frankfurt Verschleppten entgeht diesem Massaker des Einsatzkommandos 3. Ohne Kontrolle, ob die Opfer tatsächlich tot sind, werden die Gruben zugeschüttet. Leicht oder gar nicht Verletzte werden lebendig begraben. Bei dem Massaker im November 1941 werden erstmals alle Verschleppten eines Transportes aus Deutschland ermordet...    _________________________________________________________________________________________    Bahnhofstraße 20 								Hier wohnte Rosa und Beate Grünebaum...   Familienvater Max Grünebaum (geb. am 11.3 1871) war Kartoffelhändler und stammt aus dem Haus Schulstraße 1. Er ist am 10.6.1934 in Groß-Karben verstorben.  Bericht der  “Frankfurter Neue Presse”  am 22.04.2008 (von Susanne Krejcik)  Max’ Eltern Abraham und Dina Grünebaum  wurden ebenso wie sein 1924 verstorbener  Bruder Michael auf dem jüdischen Friedhof in  Groß-Karben beerdigt. Abraham und Dina  Grünebaum hatten fünf Kinder: Michael, die  Schwestern Sophie, Emilie und Lina sowie den  jüngsten Sohn Max.  Max Grünebaum wurde am11. März 1871 in  Groß-Karben geboren. Er heiratete Rosa,  geborene Oppenheimer, die am 23. November  1883 in Klein-Heubach bei Würzburg zur Welt  kam. Am 27. September 1910 wurde ihre Tochter  Beate Blanka geboren. Max – der „Deiches Max“  gerufen wurde – betrieb in der Bahnhofstraße 20  einen gut gehenden Kartoffelhandel, so dass er  seine drei ledigen Schwestern unterstützen und  Marie Schichtel aus Okarben als Hausmädchen  beschäftigen konnte. Familie Grünebaum nannte  die Perle ihres Hauses „Mariechen“, und Marie gab ihrer eigenen Tochter ebenfalls den Namen Beate. Für die Frauen brachen schwere Zeiten an, als Max Grünebaum am 10. Juni 1934 starb.  Bald darauf habe Rosa Grünebaum zu ihrer Mutter gesagt, es sei besser für sie, wenn sie nicht mehr komme, weiß Zeitzeugin Beate Biermann – Maries Tochter – aus Okarben zu berichten. Und im Gespräch mit der Initiative Stolpersteine erinnert sich Beate Biermann auch an ihre Konfirmation im Jahr 1936. Zu diesem Anlass sei Beate Grünebaum zu Fuß von Groß-Karben nach Okarben gekommen und habe ihr – unter der Kleidung versteckt – eine Garnitur, bestehend aus Hemdchen und Hose, als Geschenk gebracht. Nach dem Tod des Ehemanns Jahre zuvor sowie aufgrund zunehmender Repressalien gegen Juden nach der Pogromnacht im November 1938 suchte Rosa Schutz für sich und ihre Tochter bei ihrer Familie.  So verließen Mutter und Tochter Groß-Karben am 8. Dezember 1938 und gingen in die Heimat der Mutter bei Würzburg. Dort lebten Beates Tante Sofie, die als Schneiderin tätig war, und ihr Onkel Moses, der sein Geld als Weinhändler verdiente. Darüber, wie Mutter und Tochter in den folgenden drei Jahren in der Region um Würzburg lebten, gibt es keine Informationen, doch auch hier waren sie nicht sicher vor Verfolgung.  Frühere Hinweise auf Flucht und Ermordung der beiden in den französischen Pyrenäen haben sich nicht bestätigt. Vielmehr liegen gesicherte Erkenntnisse aus dem Bundesarchiv vor, wonach Rosa und Beate am 27. November 1941 aus Würzburg zunächst in ein Sammellager nach Nürnberg-Langwasser gebracht wurden. Von dort wurden sie zwei Tage später mit einem Transport von insgesamt 1008 Menschen mit dem Zug nach Riga-Jungfernhof – einem Außenlager des Ghettos Riga – in Lettland deportiert, wo sie am 2. Dezember 1941 ankamen. Dort wurden Rosa und Beate ermordet. Beates Tante Sofie und Onkel Moses wurden am 24. März 1942 ins Ghetto Izbica in Polen deportiert, von wo aus Bahntransporte in die Vernichtungslager Belzec und Sobibór gingen.   _________________________________________________________________________________________    Bahnhofstraße 6 Hier wohnte Moritz Grünebaum... Moritz Grünebaum war Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Karben.Nachdem seine Mutter verstorben war, verließ er 1936 seinen Geburtstort Groß-Karben und flüchtete nach Frankfurt, wo er im Juli 1938 verhaftet und bis Ende Oktober 1938 im KZ Buchenwald interniert wurde. Nach dem Pogrom im November 1938 folgte eine erneute Internierung für etwa 4 Wochen im KZ Buchenwald. Am 19.10.1941 wurde Moritz Grünebaum in dasGhetto Litzmannstadt (Lodz) verschleppt und starb am 4. Mai 1942.                     Linke und rechte Seite  kann getrennt durch  Anklicken vergrößert werden!>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>   Bericht der  “Frankfurter Neue Presse”  am 10.05.2012  (von Susanne Krejcik): Moritz Grünebaum kam am 24. April 1889 als Sohn von Markus Grünebaum, geboren am 23. September 1856, und Hilde, geboren am 23. März 1859 als Hilde Strauss in Büdesheim, zur Welt. Die Familie wohnte in der Bahnhofstraße 6 in Groß-Karben.   Sein Vater Markus starb am 26. Juli 1910 und ist auf dem jüdischen Friedhof in Groß-Karben beerdigt. Seine Mutter Hilde verstarb am 26. Juli 1936 in Büdesheim.   Moritz Grünebaum war der letzte Gemeindevorsteher der Jüdischen Gemeinde in Groß-Karben. "Über das Leben von Moritz Grünebaum in Karben haben wir nur wenig herausfinden können", sagt Hartmut Polzer von der Initiative "Initiative Stolpersteine in Karben". Er hat viele Gespräche mit Zeitzeugen geführt und und Archivrecherchen betrieben. Diese Vorbereitung für die Verlegung von Stolpersteinen dient der Erinnerung an die ehemaligen Karbener.   Nach Frankfurt gezogen  Die Recherchen der Initiative verdeutlichen aber die Beschränkungen und Schikanen, denen Moritz Grünebaum als jüdischer Geschäftsmann zunehmend ausgesetzt war. In der Liebigstraße 11 im Frankfurter Westend betrieb er von 1931 an gemeinsam mit Margarete Köllisch - geboren am 27. April 1890 in Frankfurt - eine Textil-Handelsvertretung. Dorthin zog er auch am 18. März 1936. Beide handelten mit Möbelbezugs- und Innendekorationsstoffen und vertraten drei Fabriken aus Bielefeld und Hagen/Westfalen.  Ob die beiden mehr verband als eine geschäftliche Beziehung, geht aus den vorliegenden Unterlagen nicht hervor. Bemerkenswert ist jedoch das Engagement, mit dem sich Margarete Köllisch für ihren Geschäftspartner einsetzte.   So forderte man von ihr im Jahr 1937, sie solle die Geschäftsverbindung zu Moritz Grünebaum lösen. Dieser Forderung kam sie nicht nach, vielmehr erneuerte sie den Geschäftsvertrag mit Moritz Grünebaum. "Mit verzweifelten Anstrengungen behaupteten wir zunächst unsere geschäftliche Existenz (...). Wir spürten instinktiv den kommenden Druck auf Betriebe mit jüdischen Teilhabern; nicht unerwähnt sei dabei die häufig in Korrespondenz mit unserer Firma (...) bekundete antisemitische Einstellung", schrieb Margarete Köllisch rückblickend am 17. Juni 1949 in einem Antrag an das Amtsgericht Bad Vilbel.   Zu schwach für Ausreise  Die Bedingungen für die Handelsvertretung wurden immer schwieriger. Die Firmen entzogen nach und nach die Vertretung. Im Jahr 1938 wurde Grünebaums Gewerbelegitimationskarte eingezogen, der Betrieb zwangsliquidiert.   Margarete Köllisch bemühte sich mehrfach um ein Ausreisevisum für ihn. Als sie im Besitz eines solchen Dokumentes für ihn war, war er aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes nach zweimaliger Inhaftierung im Konzentrationslager Buchenwald nicht mehr in der Lage, ins Ausland zu reisen.  Margarete Köllisch wurde wegen "Judenbegünstigung und Verstoßes gegen die Nürnberger Gesetze" mehrfach verhaftet. Dennoch ließ sie in ihrem Engagement für den einstigen Geschäftspartner nicht nach. Trotz Einschaltung eines Rechtsanwaltes konnte sie die Deportation von Moritz Grünebaum am 19. Oktober 1941 ins Ghetto Lodz nicht verhindern.  Dorthin sandte sie ihm Geldbeträge in zugelassener Höhe. Auf den von den Nationalsozialisten fein säuberlich geführten "Geldkarten" ist unter der Häftlingsnummer 5016 für Moritz Grünebaum sogar "Fahrgeld" in Höhe von 15 Reichsmark für die Deportation ins KZ mit dem Viehwaggon eingetragen. "Ich habe mich für meinen jüdischen Teilhaber sowohl aus menschlichen wie aus politischen Gründen eingesetzt", schrieb Margarete Köllisch 1949.   Moritz Grünebaum wurde im Ghetto Lodz am 4. Mai 1942 ermordet.     _________________________________________________________________________________________   Bahnhofstraße 4 Hier wohnte Adelheid Grünebaum mit ihrer Tochter Lili...  Bereits die Großeltern Abraham (Inhaber der Fa. Abraham Grünebaum Söhne) und Mina Grünebaum mit ihren Kindern wohnten hier. 1883 wird der Bau einer Scheune genehmigt. 1891 erhalten sie die Genehmigung mit Branntwein und Spiritus zu handeln. Großvater Abraham war Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Groß-Karben (Ausschreibung des Lehrers, Vorsängers und Schächters der jüd. Gemeinde aus dem Jahr 1864 wurde von ihm unterzeichnet. Quelle: Alemannia Judaica,Groß-Karben,Synagoge >hier). Er verstarb am 18.6.1905 und wurde auf dem Friedhof in in Groß-Karben beerdigt. Nach dem Tod von Abraham grünebaum führten die beiden Söhne Moses und Markus (Bahnhofsdtraße 6) das elterliche Geschäft "Abraham und Söhne" gemeinsam weiter.  Moses Grünebaum starb bereits 1916. Seine Frau Adelheid und Tochter Lili wohnten weiterhin in diesem Haus. In der Pogromnacht am 10. November 1938 randalierte die braune Horde, die die gesamte Bahnhofstraße bis zur Heldenberger Straße zur Synagoge hinaufzog, demolierte auch Möbel und Hausrat bei den beiden Frauen hier im Haus und setzte sie in Angst und Schrecken. Vier Wochen danach flüchteten beide nach Hamburg-Altona. Möglicherweise hatte Adelheid dort Verwandte oder aber Mutter und Tochter erhofften sich über Hamburg Deutschland verlassen und sich damit retten zu können. Zu diesem Zeitpunkt war die Witwe Adelheid Grünebaum 71 Jahre. Ihre Spur verliert sich in Hamburg. Es gibt Hinweise darauf, dass sie dort verstorben ist. Tochter Lili ist drei Jahre später - am 25. Oktober - im Alter von 35 Jahren in das Ghetto Lodz deportiert worden und traf dort auf die Familien Hugo Junker aus der Bahnhofstraße 34 und ihren Nachbarn Moritz Grünebaum, die die Nazis eine Woche  vorher in das Ghetto Lodz verschleppte. Lili Grünebaum und auch die anderen Bürgerinnen und Bürger von Groß-Karben kehrten nicht zurück. Sie wurden im Ghetto Lodz oder im nahegelegenen Vernichtungslager Chelmo ermordet.
Auf dieser Seite zurück nach oben >hier anklicken Auf dieser Seite zurück nach oben >hier anklicken 44 “Stolpersteine”  in Groß-Karben, davon 21 in der Bahnhofstraße  (Stand: Jan 2016)
Bella Vogt erinnert sich (Deportation im Februar 1945) >hier